Milben zuhause?
Milben gehören zu den Spinnentieren (Arachnida). Die hier interessierenden Arten haben im erwachsenen Zustand 4 Paar Beine (Unterschied zu den Insekten!) und besitzen wegen der Verschmelzung von Kopf, Brust und Hinterleib eine ungegliederte Körpergestalt.
An Vorräten aller Art tritt eine grosse Anzahl von Milbenarten auf, die für den Nichtspezialisten meistens kaum zu unterscheiden sind, zumal ihre Grösse durchweg unter 1 mm liegt. Sie werden deshalb oft übersehen, wenn sie sich nicht gerade als ein zusammenhängender, weisslicher Film bewegen.
Der Schaden, der durch sie angerichtet wird, ist verschiedener Natur:
- Frassschäden
- Veränderungen von Geschmack und Geruch des Lebensmittels
- Veränderungen der Eigenschaften des Lebensmittels, z.B. der Backqualität bei Mehl
- Ekelerregung
- Echte Gesundheitsschäden nach Verzehr befallener Lebensmittel bei Mensch und Haustier.
Milben benötigen allgemein wegen ihrer relativ grossen Oberfläche und dünnen Kutikula eine hohe Feuchtigkeit, weswegen sie häufig erst sekundär auftreten (z.B. in hot spots), oder sich nur auf einem engumgrenzten Raum innerhalb eines Lagers stärker vermehren können. In diesem hohen Feuchtigkeitsanspruch liegt gleichzeitig aber auch die beste Möglichkeit, durch gezielte Veränderung des Milieus wirksame Gegenmassnahmen einzuleiten.
Mehlmilbe
Acarus siro (L.) oder Tyroglyphus farinae (L.) (engl. Flour or Grain mite, franz. Acarien de la farine, span. Acaro de la harina)
Vorbemerkung
In der älteren Literatur (vor 1963) wird A. siro als eine Art geschildert, die sowohl im Freiland als auch im Lager vorkommen kann. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass es sich um zwei sehr nahe verwandte Arten handelt. A. siro ist die echte Milbe der Vorräte. A. farris ist die Freilandart, die in Heu und Stroh auf dem Felde usw. vorkommt.
Vorkommen
Getreidelager, alte, feucht gewordene Vorräte.
Nahrung
Getreide und Getreideprodukte, andere Lebensmittel pflanzlicher und tierischer Herkunft (z.B. besonders Milchprodukte), Pilze verschiedener Art.
Schaden
Schädigung der Keimfähigkeit bei Getreide, Backfähigkeit des Mehles reduziert, Auftreten eines süsslichen Geruches, Erzeugung von Gesundheitsschäden bei Menschen (Jucken, Hautausschlag, Entzündungen verschiedener Art, Schnupfen, Kopfschmerzen, Atemnot, Darmerkrankungen) und Haustieren (Kolik bei Pferden, Verkalben bei Rindern, Fehlgeburten bei Schweinen).
Aussehen
Ei: länglich oval (etwa 0,1 mm)
Larve: 0,15 mm
Adulte: 0,3 (Männchen) bis 0,5 (Weibchen) mm. Farbe weisslichgrau mit gelblich bis rötlichbraunen Beinen und Mundpartie.
Entwicklung
Normalerweise verläuft die Entwicklung über ein 6-beiniges Larven- und zwei Nymphenstadien zur Adulten, als Ei - Larve - Nymphe1 - Nymphe2 - Adulte. Zwischen N1 und N2 kann (sehr selten) ein sogenanntes Hypopusstadium (Wandernymphe) eingeschaltet sein, das gegen ungünstige Bedingungen besonders widerstandsfähig ist.
Die Entwicklungsdauer beträgt bei Zimmertemperatur etwa 2 bis 2,5 Wochen, die Lebensdauer der Adulten kann 6 Wochen erreichen.
Biologie und Verhalten
Die Angaben über die Zahl der Eier schwanken in beträchtlichen Grenzen (20 bis mehrere hundert). Der Frass beginnt beim Getreidekorn am Keimling und kann von dort auf den Mehlkörper übergehen. Die Mehlmilbe kann im Unterschied zu ähnlich lebenden anderen Milbenarten auch tiefer in das Vorratsgut eindringen.
Ökologie
Temperatur: Geringe Minustemperaturen können für einige Tage ertragen werden. Die Entwicklung kann noch bei Temperaturen etwas unter 5 °C ablaufen, das Optimum liegt bei 25 °C und die obere Grenze etwas über 30 °C. Massenvermehrungen können im Bereich zwischen 15 und 30 °C vorkommen, wenn die Feuchtigkeit ausreichend hoch ist.
Feuchtigkeit: Bei der weiten Spanne der Temperaturtoleranz ist die Feuchtigkeit für die Entwicklung der Populationen wesentlich wichtiger. Bei einem Feuchtigkeitsgehalt des Getreides unter 13 bis 14 % oder einer r. F. unter 60 % findet keine Entwicklung in grösserem Umfang mehr statt. Bei höheren Temperaturen (um 30 °C) sind sogar noch höhere Werte erforderlich (über 70 % r. F.). Der optimale Bereich liegt zwischen 75 und 85 % r. F. Oberhalb und unterhalb dieses Bereiches ist die Empfindlichkeit der Mehlmilbe gegenüber Feuchtigkeitsunterschieden sehr ausgeprägt. Durch Wanderungen können die Mehlmilben deshalb recht schnell wieder tolerierbare Bereiche aufsuchen.
Nahrung
Da die Mehlmilben in feuchten Zonen der Nahrung vorkommen, sind sie oft mit Pilzen verschiedener Arten vergesellschaftet. Die sich dabei herausbildenden Beziehungen können für A. siro positiv oder negativ sein. So können manche Pilze als Nahrung genutzt werden, andere verzögern die Entwicklung, reduzieren die Fruchtbarkeit und erhöhen die Mortalität.
Gegenmassnahmen
Trocknen und Trockenhalten der Vorräte. Bei stärkerem Befall grosser Partien Begasungen. Stark befallene Partien vernichten, nicht verfüttern. Milben in kleineren Partien können durch Erhitzen (z.B. im Backofen) abgetötet werden.
Backobstmilbe
Carpoglyphus lactis (L.), (engl. Dried fruit mite)
Vorkommen
In verschiedenen Obstprodukten (z.B. Marmeladen, getrockneten Früchten, Obstsäften).
Nahrung
Praktisch alle zuckerhaltigen Produkte mit einem relativ hohen Wassergehalt.
Schaden
Beeinträchtigung des Wertes der befallenen Produkte, unangenehmer Geruch, Hervorrufen von Dermatitis beim Menschen. (Der direkte Frassschaden ist meist unbedeutend.)
Aussehen
Typische Milbenform, aber etwas länglicher als Mehlmilbe, Adulte durchsichtig, mit schwachrötlichen Beinen und Kopfregion, 0,4 mm
Entwicklung
Wie bei der Mehlmilbe. Ein Hypopusstadium (Wandernymphe) wird nur selten gefunden. Entwicklungsdauer bei Zimmertemperatur etwa 2 bis 3 Wochen, Lebensdauer der erwachsenen Milben mehrere Wochen.
Biologie und Verhalten
Die Eier werden mit Hilfe eines schnell erhärtenden Stieles an das Substrat gelegt. In 5 bis 6 Wochen können vom Weibchen mehrere hundert Eier produziert werden.
Ökologie
Die Entwicklung ist bei normalen Temperaturen an Feuchtigkeitswerte von über 60 % r.F. gebunden. Die Anlockung an die Nahrung wird vor allem durch Gärungsprodukte (wie Milch- und Essigsäure) begünstigt.
Hausmilbe
Glycyphagus domesticus (DeGeer)
(engl. Grocer's itch mite, House mite, Furniture mite)
Vorkommen und Nahrung
Vor allem in Getreide und an getrockneten Früchten, aber auch an anderen pflanzlichen Stoffen wie Heu oder Polstermaterial, auch an Produkten tierischer Herkunft.
Schaden
Verschlechterung der Backqualität, Gesundheitsschäden (Allergien, Jucken, Ausschlag).
Aussehen
Milbenform mit sehr langen Haaren. Beine etwas rötlich, Grösse etwa 0,4 mm.
Ei: länglich oval (etwa 0,1 mm)
Larve: 0,15 mm
Adulte: 0,3 (Männchen) bis 0,5 (Weibchen) mm. Farbe weisslichgrau mit gelblich bis rötlichbraunen Beinen und Mundpartie.
Entwicklung
Wie bei Acarus siro. Evtl. ist zwischen N1 und N2 ein unbewegliches Hypopusstadium eingeschaltet, dessen Dauer je nach Bedingungen zwischen 5 Tagen und mehreren Jahren betragen kann. Entwicklungsdauer bei Zimmertemperatur etwas über 3 Wochen.
Biologie und Verhalten
Die Eizahl ist stark von der Temperatur abhängig, durchschnittlich werden wohl 30 Eier gelegt.
Ökologie
Die Bindung an hohe Feuchtigkeit ist wie bei den anderen behandelten Milben sehr gross. Getreide mit einem Feuchtigkeitsgehalt von unter 13 % wird nur wenig befallen.